Ich tendiere immer dazu, Lesungen als Lärmbelästigung wahrzunehmen und Diskussionen als Geschwätz. Heuer habe ich trotzdem viel Bachmann-Content konsumiert, und es hat mir überraschend gut gefallen.
Die Jury bestand aus drei Männern und vier Frauen. Von den drei Männern luden zwei je einen Mann und eine Frau zum Wettlesen ein, der dritte lud eine Frau und den laut Wikipedia »nichtbinären« Kay Matter ein. Drei der vier Frauen luden nur Frauen ein, die vierte lud einen Mann und eine Frau ein. Das ergab einen Wettbewerb mit drei Männern, zehn Frauen und Kay Matter.
Der erste Vortrag, den ich hörte, war der von Verena Stauffer. »Worum geht’s eigentlich?« fragte ich mich. Die Frage stellte dann auch sofort Philipp Tingler, der wahrscheinlich intelligenteste Juror. Da wurde mir bewusst, dass ich nicht so routiniert kommentiert, so lässig abgeurteilt werden möchte, also wahrscheinlich die Teilnahme am Bachmann-Wettbewerb gar nicht anstreben sollte.
Viele Schriftsteller wollen etwas zum Weltganzen, insbesondere auch zur Weltpolitik sagen. Es ist aber schwierig, dazu Gehaltvolles oder gar Originelles zu sagen. Das Ergebnis sind pathetisch vorgetragene Klischees. Many such cases.
Der Text von Almut Tina Schmidt erinnerte Thomas Strässle an Peter Bichsel. Dafür bat Strässle sofort pseudoironisch um Verzeihung. Warum? Weil der kürzlich verstorbene Schweizer Autor ein Mann war. Warum pseudoironisch? Weil seine Bitte um Verzeihung, obwohl er so tat, als wäre sie gar nicht ernst gemeint, ja eigentlich doch — den neuen Machtverhältnissen folgend — ernst genug gemeint war. Man kann solche unangenehmen Reflexe heute bei vielen Männern beobachten.
Der Text von Kay Matter hat mir gut gefallen. Man sollte generell versuchen, sich auf individuelle Texte und Personen einzulassen, auch wenn man die Strömung oder das Kollektiv, dem sie zuzuordnen sind, sehr kritisch sieht. Die in dem Text geschilderte Außenseitererfahrung ist ja mutatis mutandis auch meine Erfahrung.
Natascha Gangls ergrauendes Haar ist sympathisch. Ich gratuliere der Siegerin und werde nächstes Jahr wieder einschalten.