»… doch ich finde dich wie Google Maps«, denkt Paul, als er mit dem Finger auf dem ipad-Screen der Route von A nach B folgt, die Google Maps für ihn berechnet hat. Die Zeile ist aus irgendeinem Lied eines deutschen Rappers, mehr fällt ihm nicht ein. Es ohrwurmt ihn.
Jetzt ist Paul unterwegs nach B. Beim Überqueren eines Stegs in der Altstadt fallen ihm, nachdem er den Gruß der alten Bettlerin freundlich erwidert hat, zum ersten Mal die dräuenden Wolken auf. Sie ballen sich wie grau-brauner Rauch aus einem gigantischen Schornstein, wie unförmige Eiskugeln, missraten. Und er geht direkt auf sie zu.
Der erste Guss, noch nicht der heftigste, erwischt ihn — halb vorbereitet, halb unwillig, das Gewitter überhaupt zur Kenntnis zu nehmen — in der Nähe einiger großer Bäume, unter denen er Zuflucht findet. Die Regenjacke, die er jetzt trägt, erfüllt, im Gegensatz zu den angeblich wasserdichten — wasserfesten — — Er gerät ins Grübeln: Schuhen, ihren Zweck.
Nasse Füße! Er will die Wanderung abbrechen, also muss er zur nächsten Bushaltestelle. Heftige, windverstärkte Güsse. Als er aus dem Bus aussteigt, ist der Regen erträglich. Also macht er kehrt und setzt die Wanderung doch fort; ein anderer Bus bringt ihn an den südlichen Stadtrand.
Er muss nur dem Fluss folgen, den er kaum sieht, weil der Weg, der dem Fluss folgt, dicht von Bäumen gesäumt ist. Der Weg hat etwas von einer Autobahn im Naturschutzgebiet; Paul gibt, wie die übrigen Geher, Läufer und Radfahrer, Gas.
Das Gehen ist ein Gleiten hinein, hinüber in eine Trance, einen Zustand der Selbstverständlichkeit, in dem ein Schritt aus dem anderen, jeder Schritt aus dem vorigen folgt. »Zwangloser Zwang«, denkt Paul. »Swanglozer Swang, swanglozer Swag …«
Hungrig, durstig und mit Blasen an den Füßen kommt er in der kleinen Stadt in den Bergen an. Vor massiven alten Gebäuden, frisch renoviert, spielen Ausländerkinder auf der Straße. Ihre spielerische Aggressivität entfaltet sich mit überwältigender Selbstverständlichkeit im Licht der untergehenden Sonne. Am Bahnhof trinkt Paul ein giftblaues Fitnessgetränk aus einem Automaten, das köstlich und angeblich nach Waldbeeren schmeckt. Er nimmt den Zug zurück in die größere Stadt, fremd kehrt er wieder heim.
In einem Stadtbus will er eine Fahrkarte entwerten, die der Regen aufgeweicht hat, doch der Fahrkartenentwerter scheint so konstruiert zu sein, dass er aufgeweichte Fahrkarten nicht entwertet. Jedenfalls gelingt es Paul nicht. Ausgerechnet da erscheint ein Kontrolleur … Paul ist stehend k. o.
Obwohl der Kontrolleur Verständnis für die unwahrscheinliche Situation zeigt, ist Paul von seiner Wanderung, der aktuellen Kalamität sowie einem jungen Mann, der, auf den Kontrolleur einschwatzend, sich als sein Retter aufspielen möchte, so genervt, dass er nicht erst bei seiner, sondern bereits einige Stationen davor benommen aus dem Bus taumelt.
Zuhause isst er Chili con Carne; die Löffelbewegung erinnert ihn an das Gehen.