Es ist wichtig, dass Texte geschrieben werden und nicht nur Leute in eine Kamera labern. Das Video ist gewaltnäher und setzt zu einem guten Teil auf sinnliche Überwältigung; der Text ist fremd und scheu und setzt Lesenkönnen voraus. Im Text verbirgt sich ein Autor und will gesehen werden oder auch nicht.
Denn sehen und gesehen werden, das ist wie jagen und gejagt werden. Es gehört zum Leben dazu, ob als Spiel oder als Kampf, als Krieg. Doch will ich den Krieg? Nur wenn ich an den Sieg glaube, übertragen auf das Gesehenwerden und Kommunikation überhaupt: Nur wenn ich glaube, dass ich eine gute Chance habe, so gesehen zu werden, wie ich gesehen werden will.
Ich weiß nicht, ob ich kommunizieren will. Und wer, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel Ordnungen? und gesetzt selbst, es nähme einer mich plötzlich ans Herz: ich verginge von seinem stärkeren Dasein. Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen —
Zwar bleibt das Schreckliche der aufgeputschten, influencenden Visagen im Text fühlbar, doch es ist verarbeitet worden und umgeformt in Schönes. In der Gearbeitetheit des Kunstwerks ist das Grausame, der Jagdcharakter öffentlicher Kommunikation relativiert. Der Text springt den Leser nicht an wie ein Raubtier, mit exzessiver Mimik und Gestik, sondern liegt vor ihm als eine Möglichkeit, Lesenkönnen vorausgesetzt.
Der Autor ist auch nur ein Influencer, aber einer, der sich in der Arbeit am Text läutert. Er gibt sich im Text nicht als Visage, sondern als Antlitz: eine individuelle Komplexität, die verstanden werden will oder auch nicht, eine Ambivalenz, ein Mensch. Die Mittelbarkeit der Kommunikation ermöglicht komplexeres Menschsein, was freilich auch neue, subtilere Grausamkeiten miteinschließt.
Alles, was ich veröffentliche, kann gegen mich verwendet werden. Die geistige Öffentlichkeit ist, wie die Bahnhöfe, Messerzone. Das muss ich akzeptieren, damit kann ich auch arbeiten: Mein Antlitz sticht auf die Messer ein.