»Einreiseverbot«, das Wort war plötzlich in aller Munde. Der deutsche Staat habe Martin Sellner, dem rechten Aktivisten aus Österreich, über dessen Extremismus die Meinungen auseinander gehen, Einreiseverbot erteilt. Im Anschluss an das berühmt-berüchtigte »Geheimtreffen« in Potsdam, dessen Publikwerden im Januar bereits zu massiven Ausbrüchen von Furor teutonicus antifaschisticus geführt hatte. Die Medien berichteten geradezu begeistert, weil nach Überlegungen zu Parteiverbot (der AfD) und Grundrechtsentzug (Höckes) endlich ein sofort erfolgreich handhabbares Instrument gefunden schien. Man konnte endlich etwas tun — »gegen Rechts«! Denn man muss doch etwas tun, wenn die Stimmung so aufgeheizt ist. Man muss — doch — etwas — tun! Böse Zungen sprechen von »blindem Aktionismus«.
Martin Sellners Kaffeefahrt nach Passau, live gestreamt für ein Publikum aus begeisterten Rechten, hatenden Linken und insgeheim mit dieser »Grenzüberschreitung« sympathisierenden CDU-Wählern, war als Test konzipiert: Wie würde die Bundespolizei reagieren? Würde sie ihn einreisen lassen? Dann wäre dieses Einreiseverbot, das für rechtskundige Beobachter ziemlich überraschend kam, ein seltsamer Rohrkrepierer, eine Zeitungsente vielleicht. Oder würde er abgewiesen werden? Dann hätte der deutsche Staat eine Handlungsfähigkeit und Exklusionsmacht an seinen Grenzen demonstriert, deren symbolische Wirkung sich spießte mit dem Selbstbild grenzenloser Offenheit.
In jedem Fall Aufmerksamkeit für Sellner, dessen Buch »Remigration. Ein Vorschlag« (das Buch zum Geheimtreffen!) im Februar erscheint. Die zuerst so begeistert über das Einreiseverbot für Sellner berichtenden Medien berichteten nun plötzlich nicht mehr so begeistert, als ihnen, wie der Kenner sagt, »die Kontrolle über das Narrativ entglitt«. Man schaltete um von obsessiver, clickbaity Beschäftigung mit dem Dämonisierten auf das bewährte »Keine Bühne bieten«.
Was tat die Polizei? Sie hielten Sellner an, befragten ihn — und ließen ihn einreisen. Ganz Journodeutschland verfolgte das Geschehen über Twitter und über den Livestream. Also kein Einreiseverbot? Nicht generell, aber wohl für politische Veranstaltungen. Or something. Die Bundespolizei scheint ihn »auf dem Kieker zu haben« und ihm nach Ermessen die Einreise verweigern oder gestatten zu können. Es handelt sich also um ein Unter-Vorbehalt-Stellen der allgemeinen Freizügigkeit, die Sellner als Unionsbürger genießt. Wahrscheinlich wird Sellner demnächst zu einer politischen Veranstaltung nach Deutschland reisen und ausgewiesen werden. Wahrscheinlich wird er anschließend oder schon im Voraus rechtlich gegen das Einreiseverbot vorgehen.
In jedem Fall gewinnt Sellner: Aufmerksamkeit, Leser, wahrscheinlich auch Fans. Die Posse um das Einreiseverbot könnte den Auftakt zur intensiven Sellner-Rezeption in Deutschland darstellen. Und den Ösi zum Bösi Nr. 1 zu machen, das könnte sich als Idee eines Blödis erweisen. Denn wenn jemand linken Omis »Remigration« verkaufen kann, dann Martin Sellner, der wie kein anderer rechter Aktivist entwaffnend sympathisch wirken kann.